Ist SPIN Selling heute noch relevant?

Vertriebstechniken und -strategien

von Susannah Mathieson

Warum ein Verkaufsklassiker aus den 1980ern auch im digitalen Zeitalter funktioniert

SPIN Selling. Viele im Vertrieb haben den Begriff schon gehört - manche haben es in Trainings gelernt, andere wenden es intuitiv an, ohne den Namen zu kennen. Entwickelt wurde das Modell in den 1980er-Jahren von Neil Rackham, einem britischen Verhaltensforscher, der mit seinem Team über 35.000 Verkaufsgespräche analysierte, um herauszufinden, was wirklich zu erfolgreichen Abschlüssen führt.

Doch 40 Jahre sind im Vertrieb eine Ewigkeit. In Zeiten von Digitalisierung, Social Selling, KI und informierten Kunden stellt sich die berechtigte Frage: Ist SPIN Selling überholt oder gerade heute aktueller denn je?

In diesem Beitrag werfen wir einen genauen Blick auf das Modell, beleuchten neuere Forschung von Rackham aus dem Jahr 2007 und kommen zu einem differenzierten, aber klaren Fazit.

Grafik mit einem Klemmbrett, auf dem die vier SPIN Selling Fragekategorien stehen: Situation, Problem, Implikation und Need-payoff. Im Hintergrund ein blauer Kreis.

Was ist SPIN Selling überhaupt?

SPIN ist ein Akronym und steht für vier Fragetypen, die im Verkaufsgespräch eingesetzt werden:1

  • Situation (Situationsfragen)
    Ziel: Die aktuelle Lage des Kunden verstehen
    Beispiel: „Wie organisieren Sie derzeit Ihre Bestellprozesse?“
  • Problem (Problemfragen)
    Ziel: Bestehende Schwierigkeiten aufdecken
    Beispiel: „Welche Herausforderungen gibt es bei der Lagerverwaltung?“
  • Implication (Auswirkungsfragen)
    Ziel: Die Folgen des Problems bewusst machen
    Beispiel: „Was passiert, wenn ein Lieferengpass eintritt?“
  • Need-Payoff (Nutzenfragen)
    Ziel: Den Kunden den Mehrwert einer Lösung selbst erkennen lassen
    Beispiel: „Wie viel Zeit würden Sie sparen, wenn der Prozess automatisiert wäre?“

Die Methode basiert auf dem Prinzip: Menschen lassen sich weniger gern überzeugen – sie überzeugen sich lieber selbst.

1 Rackham, Neil. SPIN Selling. McGraw-Hill, 1988.

„Top-Verkäufer sagen nicht, was der Kunde tun soll. Sie führen ihn durch Fragen zur Einsicht.“

Neil Rackham
Visuelle Darstellung der SPIN Selling Methode mit schwarzen Buchstaben und pinken Icons: Situation (Standort-Pin), Problem (Warnsymbol), Implikation (Glühbirne und Zahnrad) und Need-Payoff (Hand mit Pfeil). Inklusive Logo von thesmallstuff.

Die Welt hat sich verändert – gilt das auch für SPIN?

SPIN Selling war revolutionär in einer Zeit, in der viele Verkäufer noch auf „Hard Selling“ setzten. Aber seitdem hat sich die Welt des Vertriebs grundlegend verändert:

  • Informationsmacht liegt beim Kunden:
    Durch Internetrecherche, Vergleichsplattformen und soziale Netzwerke kommen viele Kunden bereits mit vorgefertigten Meinungen ins Gespräch.
  • Gesättigte Märkte:
    In fast allen Branchen gibt es zahlreiche Anbieter mit sehr ähnlichen Produkten oder Services. Der USP ist nicht mehr so klar erkennbar wie früher.
  • Komplexe B2B-Entscheidungen:
    Heute sind oft ganze Buying Committees mit mehreren Entscheidern involviert – mit unterschiedlichen Interessen und Prioritäten.
  • Beratung statt Verkauf:
    Kunden erwarten heute mehr als Produktinformationen – sie erwarten Mehrwert durch Beratung, Ideen, Perspektiven.

Die Frage lautet also nicht: „Verkauft SPIN Selling noch?“
Sondern: „Wie wenden wir SPIN Selling heute an, damit es funktioniert?“

Rackham, N. (1988). SPIN Selling. McGraw-Hill.

Rackhams spätere Erkenntnisse: Rethinking the Sales Force (2007)

Im Jahr 2007, fast zwei Jahrzehnte nach dem Erfolg von SPIN Selling, veröffentlichte Neil Rackham gemeinsam mit John DeVincentis ein weiteres einflussreiches Werk: „Rethinking the Sales Force“

Darin beschreibt er, wie sich die Anforderungen im modernen Vertrieb verändert haben:

  • Verkäufer müssen heute Mehrwert generieren, nicht nur vermitteln.
  • Der Fokus liegt stärker auf dem strategischen Verkauf:
    also auf langfristiger Zusammenarbeit, Co-Creation und dem Entwickeln individueller Lösungen.
  • Verkaufsteams müssen sich auf verschiedene Kundentypen einstellen:
    nicht jeder Kunde will oder braucht eine komplexe Beratung.

Ein wichtiger Punkt des Buches ist die Differenzierung zwischen „Transactional Selling“ (wenn der Kauf einfach und standardisiert ist) und „Consultative Selling“ (wenn individuelle Beratung entscheidend ist).
SPIN Selling eignet sich besonders gut für letzteren Fall.

Rackham, N. & DeVincentis, J. (2007). Rethinking the Sales Force. McGraw-Hill.

Warum SPIN Selling auch heute noch funktioniert

Ob wir es SPIN nennen oder nicht, die Logik hinter der Methode bleibt wirksam:

  • Kunden wollen verstanden werden, bevor sie beraten werden.
  • Menschen folgen Ideen eher, wenn sie selbst zu einer Einsicht gelangen.
  • Gute Verkäufer stellen Fragen, die zum Denken anregen – nicht solche, die sofort zur Lösung führen.

In unserer eigenen Vertriebsarbeit greifen wir regelmäßig auf SPIN Selling zurück. Oft in leicht veränderter Form, angepasst an die heutigen Marktgegebenheiten. Wir nennen es vielleicht „kundenorientiertes Fragen“ oder „diagnostisches Gesprächsdesign“, aber die Philosophie bleibt dieselbe: Der Kunde erkennt den Wert, wenn er aktiv mitdenken darf.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Statt einem Kunden zu sagen: „Unser Tool spart Ihnen 30 % Ihrer Arbeitszeit“, fragen wir:
„Wie viel Zeit investieren Ihre Mitarbeiter aktuell in die Dateneingabe und was würden Sie mit dieser Zeit gern stattdessen tun?“
(Situation- & Need-Payoff-Frage)

So entsteht ein Erkenntnisprozess, der nachhaltiger wirkt als jede Produktpräsentation.

Hier sind ein paar weitere Beispiele aus der Praxis:

Tabelle mit Beispielen für SPIN Selling in der Praxis. Für jeden SPIN-Typ (Situation, Problem, Implication, Need-Payoff) wird gezeigt, was man nicht sagen sollte und welche Frage man stattdessen stellen kann. Markenlogo „the smallstuff“ unten rechts.

Fazit: SPIN Selling bleibt aktuell – wenn man es weiterdenkt

SPIN Selling ist kein Auslaufmodell, es ist ein solides Fundament. In einer Welt voller komplexer Entscheidungen, unzähliger Anbieter und gut informierter Kunden braucht es Vertrauen, Struktur und Tiefe im Gespräch.

SPIN liefert genau das. Es zwingt Verkäufer dazu, nicht einfach „zu pitchen“, sondern zu verstehen. Nicht zu reden, sondern zuzuhören. Und den Kunden dazu zu bringen, selbst zu erkennen, warum er handelt.

Wenn du SPIN Selling mit modernen Konzepten verknüpfst, trainierst und auf deine Zielgruppen anpasst, kannst du es auch im Jahr 2025 und darüber hinaus mit großem Erfolg einsetzen.

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Weiterführende Quellen & Lesetipps

  • Highspot Blog: Was ist SPIN Selling?
  • Rackham, Neil (1988): SPIN Selling. McGraw-Hill
  • Rackham, Neil & DeVincentis, John (2007): Rethinking the Sales Force. McGraw-Hill
  • Huthwaite International: The Evolution of SPIN Selling
  • Dixon, M. & Adamson, B. (2011): The Challenger Sale. Penguin Books
  • Thull, J. (2003): Mastering the Complex Sale. Wiley
Über die Autorin

Susie Mathieson ist die Gründerin von the small stuff und arbeitet seit über 20 Jahren in und mit Vertriebsteams. Ihr Fokus auf Motivation im Home-Office war das Thema ihrer Masterarbeit (MBA) im Mai 2020 und ist ein beliebtes Schulungsthema bei den Kunden von the small stuff.

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